Der langsame Satz: 2. Satz aus der Klaviersonate op.2, Nr.1, f-moll
von Ludwig van Beethoven

Dieser Satz steht in F-dur, d.h. in der Tonart mit demselben Grundton des ersten Satzes aber im anderen Tongeschlecht als die Haupttonart der Sonate (f-moll). So wirkt dieser Satz nicht nur durch sein ruhiges Tempo (Adagio), sondern auch durch die Dureinfärbung beruhigend auf das Gemüt ein, das beim Hören des ersten Satzes aufgewühlt wurde.

Der Satz besteht aus zwei Teilen:
1. Teil: T.1 - T.31,
2. Teil: T. 32 - T.61.
Der formale Aufbau des 2. Teils entspricht dem ersten, wobei der 2. Teil stark verziert ist (viele Zweiunddreißigstel-Noten). Das ist auch oft bei langsamen Sätzen von Mozart so, hier gibt es im zweiten Teil aber einen wesentlichen Unterschied zum ersten. Dazu später mehr.

Der 1.Teil lässt sich in drei Abschnitte gliedern:

Abschnitt "A": T.1 - T.16 (rot markiert),
Abschnitt "B": T. 17 - T.27 (blau und grün markiert)
Abschnitt "C": T.28 - T31 (gelb markiert).

Dem Thementeil ("A", T.1 - T.16, rot) liegt die in langsamen Sätzen häufig deutlich ausgeprägte klassische Periodenbildung zu Grunde:
acht Takte ("a" : T.1 - T.8),
vier Takte ("b" : T.9 - T.12),
vier Takte ("a' " : T.13 - T.16).
Die Grundtonart F-dur wird nicht verlassen. Er ist in einer trostvollen warmen Stimmung gehalten.

Der nächste Abschnitt ("B", T.17 - T.27, blau und grün) setzt unvermittelt in d-moll ein und bringt im Gegensatz zum Thementeil einen elegischen (klagenden) Charakter zum Vorschein (blau) , der sich jedoch - gleichzeitig mit der nach C-dur vollziehenden Modulation (T.21/22) - bald in eine bange hoffnungsvolle Erwartung wandelt (grün, Dv). Auch die bange Haltung weicht in den Takten 25 - 27 einer zuversichtlichen.

Der sich anschließende Abschnitt ("C", T.28 - T.31, gelb) greift das Thema des ersten Teils wieder auf und beendet den 1. Teil wie eine Coda, indem das Themenmotiv einmal in verzierterer Form wiederholt wird. Allerdings geschieht das in C-dur, so dass sich der Kreis noch nicht schließt.

T.31 moduliert zurück nach F-dur.

In T.32 beginnt der 2.Teil. Wie bereits erwähnt wurde, entspricht der formale Aufbau dem des 1. Teils (A' - B' - C'). Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Teilen besteht darin, dass nach Abschnitt A' der Abschnitt B' in verkürzter Form erklingt: Die sechs im 1. Teil blau markierten elegischen Takte in d-moll (T.17 - T.22) fehlen im 2. Teil, sodass der Abschnitt B' sofort mit der Entsprechung des grüne markierten Teilabschnittes beginnt. Das Fehlen der blauen Teilabschnittes hat Folgen für die weitere Entwicklung des Satzes: Da Abschnitt A' wie im 1. Teil in F-dur endet, setzt der grüne Teilabschnitt nun ebenfalls in F-dur ein und - da dieser ebenfalls nicht moduliert - genauso der Abschnitt C'.

Dieser letzte Abschnitt C' ist wunderschön gestaltet: Er wiederholt das Themenmotiv jetzt dreimal vollständig. Dabei wirkt es jedes Mal mehr und mehr durch Verzierungen "aufgelöster". Durch das anschließende Wiederholen der zweiten Hälfte (in erweiterter Form, T.58/59) und schließlich des letzten Viertels des Themenmotivs (T.61) verklingt der Satz nach und nach. In der Erweiterung der zweiten Motivhälfte (T.59) lässt der Dv in Erinnerung des grüne markierten Teilabschnittes ein letztes Expressivo aufkommen. Die letzten beiden Akkorde haben nicht nur eine D7 - T - Wirkung, sondern erinnern auch "abtropfend" an den Dominantquartsext-Vorhalt des Themas.

Die zwei wichtigsten Elemente dieses Satzes sind der Dominantquartsext-Vorhalt des Themas, und die Verwendung des Dv.

Der Dominantquartsext-Vorhalt hat zunächst eine starke tröstende Wirkung.

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Im d-moll-Teilabschnitt tritt dem eine ebenso starke elegische Wirkung entgegen.

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Am Schluss des Satzes verklingt dieser mit dem Vorhaltsmotiv in der Hoffnung, dass der Trost nachhaltige Wirkung zeigt.

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Den Gegensatz von tröstender und elegischer Wirkung löst das Auftreten des Dv aus, der dadurch, dass er gezielt an dieser Stellen eingesetzt wird (er erklingt insgesamt nur fünfmal: T.23/24, T.48/49, T.59) mit seiner "bangen" Wirkung unterschwellig an das zweite Thema des ersten Satzes dieser Sonate erinnert.

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