Der Tristanakkord

Gleich zu Beginn (Takt 2) der "Einleitung" von Richard Wagners Oper "Tristan und Isolde" (Uraufführung: 10. Juni 1865 in München) erklingt ein Akkord, der in dieser Form zuvor noch nie verwendet worden war. Man spricht vom Tristanakkord.

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(Das kleine Pfeilchen vor der "5" bedeutet, dass der Ton vor dem Quintton dessen Leitton ist.)

Der Tristanakkord ist eine Doppeldominante mit tief alteriertem Quintton im Bass und großem Sextvorhalt (6+) vor dem Septimleitton. Die Art, wie Wagner diesen Akkord "auflöst", ist bemerkenswert. Der Septimleitton des Tristanakkordes, der nach den Regeln in den Terzton der Dominante geführt werden müsste, geht statt dessen in den Leitton zum Quintton der Dominante. Die chromatische Linie, die dabei im Sopran entsteht (gis - a - ais - h), "deckt" diese Stimmführung.

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Da sich die erreichte Dominante nicht auflöst (Pausen), wirken die beiden dissonanten Akkorde wie selbstständige Akkorde, die keiner Auflösung bedürfen. Ihr Ausdruckswert ist eigenständig: Eine Frage ohne Antwort.

Diese Erscheinung bewirkt in der Geschichte der Harmonik die weitere Verselbstständigung dissonanter Akkorde. D.h. nach einer spannungsreichen Dissonanz muss nicht mehr zwangsläufig eine entspannte Konsonanz folgen.