Die mitteltönige Stimmung

Die Beschäftigung mit dem Phänomen der Obertonreihe und den sich aus dieser ergebenden Frequenzverhältnisse der Intervalle macht deutlich, dass entweder die Oktave oder aber alle anderen Intervalle rein sind. Ohne eine reine Oktave ist die abendländische Musikkultur aber nicht denkbar. Die Konsequenz wäre ja, dass sich kein Ton im jeweils höheren Register wiederholen würde. Die Reinheit aller weiteren Intervalle soll aber auch nicht geopfert werden. Das mitteleuropäische ästhetische Empfinden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verlangt auch nach einer reinen großen Terz. Also gilt es, die Reinheit der restlichen Intervalle in akzeptablem Maße dergestalt zu opfern, dass Oktaven und große Terzen rein sein können.

Der Ausgleich gelingt am besten durch Quinten, denn: Vier Quinten mit dem Verhältnis 2:3 sind größer als die Summe zweier Oktaven mit dem Verhältnis 1:2 und einer gr. Terz mit dem Verhältnis 4:5.

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Bei der Terz, die durch die Schichtung der vier Quinten entsteht (rot), handelt es sich um die pythagoreische Terz, die um das syntonische Komma (grün) größer ist, als die reine große Terz (blau). Der Ausgleich dieses Kommas gelingt dadurch, dass die Differenz, die das syntonische Komma ausmacht auf die vier Quinten verteilt wird:

Die vier Quinten werden je um 1/4 des syntonischen Kommas enger gestimmt.

Dadurch wird die Terz, die durch die Quintschichtung entsteht an die reine große Terz angeglichen:

Der Unterschied zwischen der reinen und der engen mitteltönigen Quinte ist kaum zu hören, wenn die Quinttöne nacheinander (sukzessiv) erklingen:

Hört man jedoch die Töne der jeweiligen Quinte gleichzeitig (simultan), macht sich der Ausgleich um 1/4 des syntonischen Kommas bei der mitteltönigen Quinte dadurch bemerkbar, dass sie wie in sich verdreht klingt. Man nennt das Schwebung. Die reine Quinte klingt "gerade", sie schwebt nicht:

So klingt das 1/4 des syntonischen Kommas, also der Ausgleich:

Dieses Ausgleichsintervall (1/4 des syntonischen Kommas) wird auf elf Quinten übertragen. Die zwölfte ist eigentlich eine verminderte Sexte. Sie ist unbrauchbar, da sie durch die Verengung aller anderen Quinten zu weit ist.